Ich vertraue nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe

Meine ersten beruflichen Statistiken erstellte ich 1982 mit einem Texas-Instruments-Taschenrechner, einer Menge Bleistifte, einem Lineal und einem Zirkel. Denn ich bereitete die kühlen Zahlen selbst in bunte Kreis- und Balkendiagramme auf.
Bald stellte ich fest, dass man an diesen Zahlen nicht nur den Verkaufserfolg ablesen, sondern Prognosen herleiten und Fehler im System aufspüren konnte. Es dauerte nicht lange und ich hatte mir einen Ruf als Zahlen-Crack erarbeitet. Etwas später kam ich mit der professionellen Marktforschung in Kontakt. Vor allem der Zusammenhang mit meinen eigenen Statistiken faszinierte mich sofort und als ich im Studium die theoretischen Grundlagen der Marktforschung nachholte, erschloss sich mir das Thema in seiner ganzen Breite. So war es kein Wunder, dass ich später als Marketingleiter der CBM die Marktforschung professionell in meinem Bereich einführte. Zwar hatte man den Spendenmonitor abonniert und über ihn auch eigene Fragen beantworten lassen, aber eine systematische, kontinuierliche und auf die praktische Arbeit bezogene Auswertung fand nicht statt.
Vorteile und Nachteile
Ich begann, im Spendenmonitor nach verwertbaren Daten zu suchen, an denen wir unsere Marketingstrategie anlehnten. So konnten wir verschiedene Werte über die Jahre hinweg beobachten und steuern, beispielsweise den Bekanntheitsgrad, das Imageprofil und vielfältige KPIs in Bezug auf den Spendenerfolg und Marktbewegungen. Dazu kamen individuell in Auftrag gegebene Fragen. Aus den Daten erstellte ich einen Managementreport, sodass die Geschäftsleitung einen guten Überblick über die Marktposition der Organisation hatte.
Das war extrem hilfreich, denn meine strategischen Handlungen waren an diesen stichhaltigen Daten orientiert. So baute ich mit der Zeit eine logische Marketingstrategie auf, die selbst für Laien nachvollziehbar und fundiert war. Derart gewappnet war es leicht, Änderungen im Marketing durchzusetzen. Später beim WWF konnte ich auf diese Art den Turnaround bei den sinkenden Einnahmen schaffen und letztlich den Weg zu einem 70-prozentigen Einnahmenplus ebnen.
Leider hält die Markt- und Meinungsforschung Fallen bereit. Wenn das Forschungsinstitut beispielsweise nicht versteht, welche Fragen von Spenderinnen und Spendern nur ungern ehrlich beantwortet werden, ist eine entsprechende Korrektur der Auswertung nicht möglich. So lese ich in Studien oft, dass die Spenderinnen und Spender Briefwerbung ablehnen, während in der Realität über 60 Prozent der Einnahmen über diesen Kanal kommen.
Auswahl an Grundsätzen
Mit der Zeit habe ich einige Grundsätze entwickelt, die man bei Umfragen beachten sollte. Eine kleine Auswahl:
1. Kontinuität ist der Schlüssel zu nützlichen Daten. Einmalige oder unregelmäßige Erhebungen sind in meinen Augen rausgeworfenes Geld. Optimal wäre eine jährliche Erhebung, möglichst zum gleichen Zeitpunkt.
2. Immer das gleiche Institut beauftragen. Ein Wechsel verfälscht die Zahlen, selbst wenn die gleichen Fragen und Methoden benutzt werden.
3. Die Befragten sollten demoskopisch im Zeitverlauf möglichst ähnlich sein.
4. Die Erhebungen sollten frei von Wunschdenken und fraglichen Prämissen sein.
5. Die absoluten Zahlen sind oft nicht so verlässlich wie die relativen Veränderungen. Beispiel: Ob der Bekanntheitsgrad bei 63 oder 65 Prozent liegt, ist in der Realität nicht von großer Bedeutung. Sehr wohl aber, ob und wie sich der Wert über die Zeit nach oben oder unten bewegt.
6. Jede noch so gute Erhebung hat ihre Schwächen. Deshalb muss man die Zahlen immer kritisch hinterfragen und zu einem gewissen Grad den „Bauchkompass“ einsetzen. Markt- und Meinungsforschung ist keine absolut präzise Wissenschaft, sondern auch durch das irrationale menschliche Verhalten geprägt. Menschen sagen nicht immer das, was sie denken, sondern oft, was sie als gewünschte Antwort empfinden.